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Aus guten gründen gilt beim Amtsantritt eines neuen Amtsträgers eine „Schonfrist“ von hundert Tagen. Das will ich im Prinzip auch so halten ABER ein Rückblick auf die Rede zum Amtsantritt muss sein. Denn die war in Teilen richtig schlimm.

Hier kommentiere ich die Pläne zum Großbauprojekt um das Hugenottenhaus und reflektiere die von den Investoren/Mäzenen zeitweise gekaperte Veranstaltung in der Perle vom vergangenen Montag. Dabei ist klar, dass ich hier nicht für die Stadt oder den Magistrat spreche, sondern meine persönliche Meinung zum Ausdruck kommt.

Den Eigentümer/Herausgeber der HNA als frömmelnden rechtslastigen Konservativen zu bezeichnen, erscheint mir noch eine höfliche und zurückhaltende Umschreibung. Der Mann hat zudem ein erhebliches Mitteilungsbedürfnis, hinter dem sogar das meine zurück bleibt. Und das will ja nun wirklich etwas heißen. Jede Woche lässt er in seinen Zeitungen – und das sind nicht wenige – seine Kolumne „Wie ich es sehe“ abdrucken. Oft genug ist das schwülstige Frömmelei; gerne auch mal getränkt mit ein paar Brocken nationalromantischer Verklärung. Immer ist aber klar: es gibt gut und es gibt böse. Und der Verleger gehört natürlich zu den Guten mit dem klaren Blick. Wie sagte einst der große Volker Pispers: wenn man weiß, wo der Feind sitzt, hat der Tag Struktur.

Am Samstag nun wurde ich unerwartet von einem Anflug von Autoaggression erwischt. Ich habe also die intellektuellen Exkremente des HNA-Verlegers tatsächlich gelesen. Ja, das war ein Fehler. Vielleicht aber auch nicht. Denn sonst hätte ich jetzt nicht die Gelegenheit, das Pharisäertum dieses Herrn zu beleuchten. In seinem aktuellen wöchentlichen Machwerk stellt Ippen das Böse (schmarotzende Hartz-IV-Bezieher und ein unfähiger Staat) dem Guten (wackere Unternehmer und braven Steuerzahlern) gegenüber. Er selbst gehört natürlich zu den Guten, zu den „braven Steuerzahlern“.

Als ich das las, erinnerte ich mich. Erst ein bisschen. Dann ein bisschen mehr. Da war doch was, da war doch was. Ja, da war was. Im Jahr 2015 vollstreckten 600 Zollbeamte insgesamt 90 Durchsuchungsbeschlüsse im Ippen-Land. Dabei wurden Vermögen im Wert von etwa zwei Millionen Euro sichergestellt. Die Behörden gingen davon aus, dass die Unternehmen, die zum Einflussbereich des HNA-Verlegers gehören, sich mit einem illegalen Trick um Sozialversicherungsabgaben in Millionenhöhe gedrückt haben. In der HNA war darüber erst lange gar nichts und dann nur in einer Mini-Nachricht etwas zu lesen.

So sieht er aus, mein Blick hinter die Kulissen der braven frömmelnden Pharisäer.

Es gibt ja nach meiner Erfahrung unter den Wählerinnen und Wählern der Grünen nicht so viele, die sich ernsthaft für das politische Tagesgeschäft der Grünen interessieren und im Wissen darum ihre Wahlentscheidung überdenken. Für wen ich das jetzt hier schreibe, weiß ich also eigentlich gar nicht so genau. Die Anderen, die sich dafür interessieren, wählen die Grünen ja nicht.

Andererseits kann ist es ja auch kein Zustand, wenn praktisch niemand außerhalb des Stadtparlaments von den Machenschaften der Politikgarde um ihren edlen OB-Kandidaten erfährt.

Ich kann mich an die Gesprächsrunden mit Vertreter*innen der Grünen nach der Kommunalwahl noch erinnern. Vom Interesse am Austausch der verschiedenen Positionen, vom gegenseitigen Respekt und fairem Umgang war die Rede. Klar, es gab noch keine Bündnisse. Da galt es Kreide zu fressen und demokratischen Anstand zu heucheln.

Dann kam die Koalition mit der SPD und von alldem war keine Rede mehr. Kein machtpolitischer Geschäftsordnungstrick war zu schmutzig, um im Zusammenwirken mit einer auch darin einigen SPD nicht angewandt zu werden. Als die Koalition brach und klare Mehrheitsverhältnisse zunächst Geschichte waren, hatten die machtpolitischen Spielchen Pause. Nun gibt es eine neue Koalition (Jamaika) und die Grünen kehren zu ihren unanständigen Kernkompetenzen zurück. Und wenn es am Anstand fehlt, gibt es hinsichtlich der Themen, bei denen in die Kiste mit den schmutzigen Tricks gegriffen wird, auch keine Scham.

Heute ging es in der Stadtverordnetenversammlung um die Ehrenbürgerschaft Paul v. Hindenburgs in Kassel. Auf der Tagesordnung stand ein gemeinsamer Antrag von SPD und Linken, die Beendigung der Ehrenbürgerschaft förmlich – ja symbolisch – festzustellen, dies gleichzeitig zu dokumentieren und all dies auch zu veröffentlichen.

Demokratischer Anstand? Fehlanzeige!

Die Grünen nun wollten sich dem Antrag von SPD und Linken nicht anschließen. Stattdessen brachten sie kurzfristig für die Jamaika-Koalition einen weichgespülten Antrag zur „Erläuterung und Einordnung von Ehrenbürgerschaften ein“. In dem Antrag wurde der Name v. Hindenburgs selbstredend noch nicht mal erwähnt. Logo, sonst wäre es ja kein weichgespülter Antrag. Dieser kurzfristig gestellte Antrag aber musste erst auf die Tagesordnung. Dafür braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Und für eine Zweidrittelmehrheit reichen die Stimmen der geschichtsvergessenen Koalitionäre nicht. Nun hätten SPD und Linke die Aufnahme des Antrags auf die Tagesordnung verhindern können. Der Bedarf an weichgespülten Anträgen ist tatsächlich nicht so groß. Doch mensch wollte höflich und kollegial bleiben und ermöglichte mit der Zustimmung die nachträgliche Aufnahme in die Tagesordnung.

Für die SPD trat dann Norbert Sprafke ans Rednerpult und beantragte, dass beide Tagesordnungspunkte zum Thema „Ehrenbürgerschaften“ auf jeden Fall noch in der heutigen Sitzung behandelt werden sollten. Denn manchmal kann es passieren, dass aus Zeitgründen nicht mehr alle Tagesordnungspunkte aufgerufen werden.

Und kaltlächelnd begründete der grüne Fraktionsvorsitzende, dass die jamaikanischen Freund*innen kein Interesse an einer zügigen Erledigung der Angelegenheit hätten. Und genauso stimmte die Jamaika-Front dann auch ab. So zeigen die Grünen demokratischen Anstand und bedanken sich kollegial für eben erst erfahrene kollegiale Unterstützung.

Respekt vor geschichtlicher Verantwortung? Fehlanzeige!

Mit ihrer Weigerung, diese Tagesordnungspunkte noch heute auf jeden Fall zu beraten und darüber zu beschließen, erweisen sich die Grünen auch als bemerkenswert geschichtsvergessen. Denn tatsächlich war es der Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 – vor genau 90 Jahren – , der dem damaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg den Vorwand lieferte, mit der Die Verordnung zum Schutz von Volk und Staat die Grundrechte nach der Weimarer Verfassung außer Kraft zu setzen. Aber für solche Dinge interessieren sich doch grüne Stadtparlamentarier in den Niederungen der Kasseler Kommunalpolitik nicht. Und ihr Oberbürgermeisterkandidat interessiert sich dafür genauso wenig. Am 27. Februar 2023 endlich die überfällige – ja nur noch symbolische / für alles andere ist es längst zu spät – Feststellung über die Beendigung der Ehrenbürgerschaft v. Hindenburgs zu treffen, wäre eine Chance gewesen. Eine Chance, die nur sehen und nutzen konnte, der über politischen Anstand und geschichtliche Verantwortung verfügt. Gibt’s in Kassel beides nicht in grün.

Abspann

Am Ende reichte die Zeit doch noch für die Debatte. Und auch hier zeigten sich unsere jamaikanischen Freunde unter grünen Führung von ihrer besten Seite. Sie, die in absoluter Geschichtsvergessenheit einen Antrag eingebracht hatten, der den Namen v. Hindenburgs noch nicht mal erwähnte, warfen SPD und Linken Geschichtsvergessenheit vor, weil diese angeblich die Ehrenbürgerschaft v. Hindenburgs streichen und damit verheimlichen wollten. Dass der Antrag von SPD und Linken ausdrücklich Dokumentation und Veröffentlichung beinhaltete, interessierte die Jamaikaner nicht. Am Ende der Peinlichkeit stand dann ein Kompromiss, der beide Anträge zusammenführte. Das ist deutlich mehr als bei der Ausgangslage erwartet werden durfte.

Der letzte Beitrag in diesem Blog datierte vom 06. Februar 2021. Danach folgte eine Kommunalwahl und meine Wahl zunächst in die Stadtverordnetenversammlung und dann in den Magistrat der Stadt Kassel.

Zum Schrecken der Kasseler SPD hat mich die Zweckverbandsversammlung der Kasseler Sparkasse auch noch in den Verwaltungsrat gewählt. Da trat meine fast zeitgleichen Wahl in das Präsidium des Hessischen Städtetages fast in den Hintergrund. Die moderate Unterstützung linker Politik in Kassel, den moderaten Wiedereinstieg in die Kommunalpolitik hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt.

Ich hatte also seit Frühjahr 2021 eigentlich genug zu veröffentlichen und genug zu berichten. Und das war auch der Plan – moderater Wiedereinstieg hin oder her. Aber einerseits hatte (und habe) ich wahnsinnig viel Arbeit. Andererseits hatte ich es geschafft den Zugriff auf den WordPress-Blog hier technisch ordentlich zu blockieren.

Nun, an einem der langen Winterabende habe ich mich wieder auf die Seite geboxt und kann und will und werde wieder ein paar meiner Innenansichten, ein paar meiner tatsächlichen oder vermeintlichen Weisheiten zum Besten geben. Und ja, ich verspreche, dass es wie früher nicht allzu langweilig werden soll. Ich hoffe doch, dass der Wechsel vom Stadtverordneten zum Stadtrat mir jetzt nicht die Feder glatt geschliffen hat. Beurteilen werden das andere. Die, die das lesen. Die, über die ich schreibe.

In jedem Fall wünsche ich uns allen ein schönes Neues Jahr. Und all denen, die in diesem neuen Jahr auf die Reaktivierung meines Blogs auch gut hätten verzichten können, denen rufe ich ein beherztes „shit happens“ zu.

Noch nässt die Wunde, die sich die Kasseler SPD mit ihrer grottigen Performance in Sachen „Kohleausstieg“ selbst geschlagen hat.
In der Politik gilt es als probates Mittel die Heilung voranzutreiben, in dem mensch an anderen Fronten in die Offensive geht. Das bringt in dem Fall zwar den Klimaschutz nicht weiter. Tut aber der geschundenen SPD-Seele gut. Und irgendwo müssen ja Prioritäten gesetzt werden. Spannend aber nicht überraschend, dass es SPD-Linke sind, die da in die Offensive gehen.

Für die jungen Leserinnen und Leser hier, die sich fragen, was „SPD-Linke“ wohl sein könnten. Das sind die SPD-Mitglieder, die auch nach der Auflösung der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten in der SPD immer noch nicht den Absprung aus der Partei geschafft haben. Interessanterweise gibt es auch sehr junge SPD-Linke. Das sind die, denen niemand von der Auflösung der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten in der SPD was erzählt hat. Junge und alte SPD-Linke eint, dass sie in der SPD nichts zu melden haben. Deswegen plakatieren z.B. SPD-Linke in Kassel gegen den Bau von Luxuslofts, während unter der Verantwortung eines SPD-Oberbürgermeisters davon reichlich gebaut werden.

Aktuell attackiert der Alt-SPD-Linke Sprafke Grüne und Linke, weil sie der Verlegung des Fernbusbahnhofs in Kassel nicht zugestimmt hätten. Grüne und Linke hätten mit ihrer Ablehnung bewiesen, dass sie – anders als die wackere SPD – nicht für eine „sozial unterlegte ökologische Politik“ eintreten würden.

Nur so am Rande wette ich erst einmal meine gesamte Briefmarkensammlung, dass die wackere SPD diesen Antrag niemals nicht gestellt hätte, wenn der zuständige Dezernent ein SPD-Parteibuch hätte.

Aber als alter Busfahrer habe ich dazu natürlich auch inhaltlich eine Meinung. Ich finde spannend, was die SPD mit ihren Alt-Linken so unter Verkehrswende und einer sozial unterlegten ökologischen Politik versteht. Ein Verkehrsmittel (Bus), dass Individualverkehr bündelt wollen die Sozen von den Hauptverkehrsstraßen vertreiben. Rigide Eingriffe wie z.B. „Pop-up-Bikelanes“ oder den Rückbau von Straßen, die zu einem Rückgang des motorisierten Individualverkehrs führen würden, sind der Sozen Sache nicht. Den Atem der Freie-Fahrt-Für-Freie-Bürger-Fraktionen CDU und FDP im Nacken geht der SPD und ihren Linken solcherart spürbare Verkehrswende zu weit. Da wird dann putzigerweise vom SPD-Alt-Linken Sprafke darauf verwiesen, dass Flixbus aber kein niedliches startup mehr ist (richtig). Dass aber das Festhalten auch der Kasseler SPD an der selbstverständlichen Bevorzugung des motorisierten Individualverkehrs eine Verbeugung vor der auch in der Region starken Automobilindustrie (VW, Mercedes) ist, die nach meiner Kenntnis auch keine niedlichen startups sind, fällt dem Partei-Linken Sprafke nicht ein. Dass es eine ziemlich billige Verkehrswende ist, die paar Fernbusse aus den Hauptstraßen zu nehmen, sich den Autolawinen, die ansonsten tagtäglich dort entlang walzen, aber nicht wirksam entgegenzustellen, fällt dann dem für die Linken reaktivierten Alt-Linken Boeddinghaus ein, der sein Geld lange Jahre als Taxi-, LKW- und Busfahrer verdient hat. Tatsächlich ist der politische Ansatz der SPD die klassische Version einer Wasch-mich-aber-mach-mich-nicht-nass-Politik. Den Anwohner*innen entlang der Hauptstraßen gegenüber kann (und wird!) die SPD mit diesem tollen Erfolg der Verlegung des Fernbusbahnhofs mit einer entsprechenden minimalen Verringerung der Verkehrsbelastung prahlen. Mit einer wirklichen Entlastung, mit einem wirklichen Umsteuern in der Verkehrspolitik hat das aber rein gar nichts zu tun. Das weiß ziemlich sicher auch der SPD-Alt-Linke Sprafke. Aber ach, die Auflösung der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten in der SPD ist schon so lange her. Da kann mensch glatt vergessen wie das ist, wenn mensch richtige Politik macht.

Angesichts der Reaktivierung des Kasselerrathausblogs in Folge meiner politischen Exhumierung durch DIE LINKE bin ich angesprochen worden, mich zur Kandidatur der Bienenfreund*innen zu äußern. Immerhin habe der Anführer hier ja früher mal mitgeschrieben. Ein bisschen lässt sich dieses Ansinnen leider nachvollziehen. Also schreibe ich was. Aber was?

Beim Blick auf die Wahlplakate war mir im ersten Moment nicht ganz klar, wer da wen promotet. Die Bienenfreund*innen die Liste 9 oder umgekehrt. Und angesichts des eklatanten Mangels an politischem Programm kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass da jemand das gute alte olympische Prinzip des „Dabei-sein-ist-alles“ zur politischen Agenda erklärt hat. Zwar soll laut Plakat einiges geschützt und gewendet werden. Aber wohin erfahren wir nicht. Es gibt keine Hinweise auf weitere Informationen (Gott bewahre… ein Programm). Auch im Internet findet sich… NICHTS. Zu den Dingen, die es aus Sicht der Bienenfreund*innen zu wenden gilt, zählt wohl auch der Verkehr. Nun erinnere ich mich gut, dass der Bienenkönig noch vor kurzem Unterschriften gesammelt hat, um die Straßenbahn aus der Königsstraße zu vertreiben. Wenn’s nach ihm gegangen wäre, hätten also die Straßenbahnen am Eingang der Innenstadt wenden müssen. Das ist jetzt nicht die Sorte „Verkehrswende“, die ich mir wünsche. Aber, wer weiß. Vielleicht hat sich auch der Bienenkönig mit seinen Freund*innen wieder gewendet. Denn von solche Wendungen gab es in den letzten Jahren bei ihm ja nicht so wenig. Die einzig wahrnehmbare politische Konstante beim Bienenkönig war dabei, (s)eine große Bereitschaft allerlei skurrile Fraktionen zu gründen, die einen beherzten Zugriff auf die üppigen öffentlichen Gelder ermöglichten.

Ich bin ja der festen Meinung, dass bei dieser Kommunalwahl eine Wahl der linken Kandidat*innen für die Stadtverordnetenversammlung und die Ortsbeiräte die beste Wahl ist. Okay, das kommt jetzt nicht überraschend. Ich bin aber auch der Meinung, dass es keine verlorenen Stimmen gibt. So etwas wird ja immer gerne behauptet, um kleine Parteien und Listen auch klein zu halten. Ziemlich sicher bin ich mir aber, dass von den Stimmen für die Bienenfreund*innen die Bienen, die Verkehrswende und all die anderen Dinge, die da gewendet werden sollen, nicht so viel haben. Im Sport ist das olympische Prinzip total klasse. In der Politik dann doch ein bisschen zu wenig.

von VIOLETTA BOCK
Der Kohleausstieg 2025, wenn möglich 2023, wurde heute in Kassel abgelehnt. Damit ist er in der Stadtverordnetenversammlung weiterhin keine beschlossene Sache. Grund war eigentlich die CDU. Wäre sie als antragsstellende Fraktion anwesend gewesen, hätte es eine Mehrheit gegeben. Aber geweigert und gewunden hat sich die SPD, die sich als die Macher des Kohleausstiegs inszeniert und überall erzählt es gäbe doch einen Beschluss im Aufsichtsrat, aber wenn es dann darauf ankommt als Stadtverordnete die Hand zu heben sie unten lässt. Da haben sich viele gefragt, warum. Patrick Hartmann hat das heute so begründet:

1)Es hätte doch schon wer anderes entschieden (aber eben nicht die Stadtverordnetenversammlung…)

2)Der Beschluss hätte rein appellativen Charakter, weil die StaVo für die Städtischen Werke keine Beschlüsse fassen könne (äh, doch, die KVV ist eine hundertprozentige Tochter der Stadt und die Städtischen Werke sind Teil davon).

Absurder daran ist jedoch dass die SPD einen Änderungsantrag gestellt hat (Streichung des „wenn möglich früheren Ausstiegs 2023“, drinbehalten von 2025 – wie kann sie wenn sie sich selbst ernst nimmt

a) einen Änderungsantrag an einen Antrag stellen, den sie nicht für möglich hält,

b)so darauf bestehen die 2023 raus zu nehmen, wenn sie den Antrag für rein appellativ hält?)

Der Druck war eben groß genug, dass sie reagieren mussten. Der dritte Punkt in der Argumentation war Kompromiss, Kompromiss, Kompromiss. Man hätte einen guten Kompromiss gefunden gemeinsam mit den Aktivist*innen von Kassel-kohlefrei (was ist das für ein Kompromiss, wenn ein Teil protestierend draußen steht, Videos in der sie ihre Unzufriedenheit sehr deutlich darlegen, weil der Kompromiss nämlich nicht eingehalten wird. Der Kompromiss war doch folgender, wenn ich mich richtig erinnere: 7500 haben für einen Kohleausstieg 2023 unterschrieben. Das Bürgerbegehren hat damit die notwendigen Unterschriften locker erreicht und rechtlich zu beanstanden gab es auch nichts. Geeinigt hatte man sich dann aber auf spätestens 2025 und einen Beschluss in den städtischen Gremien. Dafür würde man den Bürgerentscheid nicht durchführen (der bei positivem Ausgang drei Jahre Verbindlichkeit hätte). Der Beschluss im Aufsichtsrat ist im Oktober erfolgt. In der Stadtverordnetenversammlung wurde das Versprechen von der SPD gebrochen.
Es ist nicht die erste schräge Nummer der SPD, bleibt nun zu hoffen dass die antragsstellenden Fraktionen auch nach der Wahl zu ihrem Antrag stehen und er dann eine Mehrheit findet. Auch ein Beschluss führt nicht automatisch zur Umsetzung, aber er macht es einfacher, weil man etwas hat worauf man sich beziehen kann. Gefühlt kann man zumindest gerade in jeder Stadtverordnetenversammlung vorhalten, dass der Klimaneutralitätsbeschluss keine Anwendung findet, und das betrifft nicht nur das Verkehrsdezernat der SPD sondern auch das Baudezernat der Grünen…


Wir bleiben dabei: Kohleausstieg 2025 – und wenn möglich 2023

Aktuell beklagt die SPD, Grüne, CDU und Linke wollten mit einem überflüssigen Antrag zum Kohleausstieg kurz vor der Kommunalwahl noch Punkte machen und damit am Erfolg der großartigen Leistungen der Sozialdemokratie teilhaben. Womit der Kuchen dieses Erfolges geteilt werden müsste. Und teilen und abgeben wollen die Sozen da nix. Das Teilen und Abgeben lag vielleicht mal in der DNA der Sozialdemokratie. In der DNA der SPD liegt es jedenfalls nicht (mehr).

Ein weiteres Votum zum Kohleausstieg sei überflüssig, weil in die SPD und ihren Oberbürgermeister könne man vertrauen. So, so….. Vertrauen. In die SPD…. . Und ihren Oberbürgermeister…. . In Kassel…. .Schauen wir mal.

Im Wahlkampf plakatiert die SPD zzt. den schönen Slogan „Für mehr bezahlbare Wohnungen statt Luxuslofts“. Das ist wahrhaft eine unterstützenswerte Forderung. Und ich will jetzt auch nicht lange darauf herumreiten, dass es der SPD-Sozialdezernent war, der jahrelang erfolgreich dem Bau von Sozialwohnungen entgegenstand. Arme Menschen, so wurde dies über Jahre fraktionsübergreifend (CDUFDPSPDGRÜNE) beschlossen, wollte man möglichst nicht in Kassel. Aber die SPD und ihre Kandidat*innen versichern, diese Zeiten seien überwunden. Jetzt aber wirklich setze sich die Partei für Sozialen Wohnungsbau und eben gegen „Luxuslofts“ ein. Und wir sollen glauben und vertrauen und vor allem soll das jetzt bei der Wahl Stimmen bringen.

Fakt ist: die städtische Wohnungsbaugesellschaft GWG reißt in bester Wohnlage (am Stadthallengarten) 36 sehr günstige Wohnungen (Mietpreis ca. 5 €/qm) ab. Stattdessen sollen 125 neue Wohnungen entstehen. 37 davon sollen Eigentumswohnungen („Luxuslofts“?) werden. Sozialwohnungen wird es nur 31 geben und die werden natürlich teurer als die jetztigen. Für eine sanfte Methode hält die städtische Wohnungsbaugesellschaft einen Mietanstieg von bislang 5 Euro auf 8 bis 9,60 Euro pro Quadratmeter. Das ließe sich ja auch dadurch kompensieren, wenn danach eine kleinere Wohnung bezogen würde. Und in Einzelfällen, so verspricht der Geschäftsführer, gibt’s noch einen persönlichen Sozialrabatt. Sozialer Wohnungsbau als Almosen. Das kannte ich bislang so nicht.


Fassen wir zusammen:

Die Städtische Wohnungsbaugesellschaft, unter der Verantwortung des SPD-Oberbürgermeisters als Aufsichtsratsvorsitzendem schreddert günstigen Wohnraum im Vorderen Westen, ködert die Öffentlichkeit mit der Mindestquote von Sozialwohnungen, die trotzdem teurer als der Bestand werden, verspricht noch ein paar vorübergehende Almosen und baut an gleicher Stelle richtig lecker teure Miet- und Eigentumswohnungen. Den Mieter*innen mit den kleinen Geldbeuteln wird munter zugerufen: zieht doch weg oder in kleinere Wohnungen. Derweil plakatiert die Partei des SPD-Oberbürgermeisters „mehr bezahlbare Wohnungen statt Luxuslofts“ und wundert sich, dass mensch ihr nicht trauen will.

Tatsächlich plakatiert die SPD auch „Für mehr WIR statt ICH in Kassel“. Darunter ist noch zu lesen „Wir schaffen Chancen“. Und hier ist die Partei auch ehrlich; wenn auch nicht transparent. Denn mit WIR sind mitnichten wir gemeint. Das ist in WIRklichkeit eine Abkürzung. Denn bei der SPD steht „WIR“ traditionell schon seit langem für „Wirtschaft – Industrie – Rüstung“. Und damit wissen wir auch, für wen die SPD tatsächlich Chancen schaffen will. Mieter*innen mit kleinem Geldbeutel gehören jedenfalls ganz offenkundig nicht in die Zielgruppe der sozialdemokratischen Schaffenskraft in Kassel.

……geboren, nix dazu gelernt, die Hälfte vergessen.

Eine solche Einschätzung drängt sich mir förmlich auf, wenn ich den aktuellen Dringlichkeitsantrag des frisch gewählten einzigen piratösen Stadtverordneten in Kassel lese:

Der Kreisparteitag möge beschließen:
*Der Kreisverband Kassel Stadt-Land-Web unterstützt eine
Fraktionsbildung zwischen den Freien Wählern und dem Pirat in der
Stadtverordnetenversammlung.*

Das absurde dabei ist, dass die Piraten mal damit Reklame machten, Politik anders anzugehen als die Etablierten. Das praktizieren sie u.a. damit, dass es in der Piraten-Partei mehr Funktionen und Funktionäre als normale Mitglieder gibt (Geschäftsführer, politische Geschäftsführe, Generalsekretäre, Vorsitzende sowieso….). Nach der letzten Kommunalwahl zogen immerhin zwei Stadtverordnete in Kassels Stadtparlament ein. Die gaben ihren Einstand  – die Kreuze auf den Wahlzetteln waren noch nicht trocken – mit einem flotten Deal mit der Grünen-Fraktion, um ein Mandat in der Regionalversammlung zu ergattern. (Solche Deals kannten wir bis dato von den Alt-Parteien ja nun wirklich nicht.) Die zwei piratösen Stadtverordneten stümperten dann mit erstaunlicher Intensität vor sich hin. Am Ende flog die gebildete Fraktionsgemeinschaft mit Kassels ehemaligem SPD-Vorsitzenden mit Krawall auseinander, einer der Piratösen verlor die Lust am Piratösen und ging von Bord, und Kassels Piratenpartei war bis zum Ende der Wahlperiode mit aller Kraft damit beschäftigt, so zu zun, als hätte sie mit all dem gar nichts zu tun.

Bei der diesjährigen Kommunalwahl waren die Piraten dann natürlich wieder dabei. Um Politik kann es dabei nicht gegangen sein. Aber die Piraten machen ja nun bei sowas ohnehin nicht aus politischen Gründen mit. Ich weiß noch wie ich gelacht habe, als ich gut zwei Wochen vor der Wahl gelesen habe, dass nun auch das piratöse Kommunalwahlprogramm fertig gestellt war – also natürlich noch nicht gedruckt, so etwas braucht ja Zeit. Aber druckfertig war es am 18.02.2016 dann schon. Chapeau.

Nun also sind die Kreuzchen auf den Wahlzetteln an einigen Stellen immer noch feucht, da wiederholt sich die Geschichte. Die Piraten vereinigen sich mit den Freien Wählern. Lediglich die Mehrheitsverhältnisse haben sich geändert. Waren es 2012 noch zwei Piraten, die mit Dr. Hoppe fusionierten, ist es heute ein Pirat, der mit zwei Freien Wählern – u.a. Dr. Hoppe – fusionieren will. Ich bin ganz sicher, dass die Fusion gelingt. Denn um Politik geht es dabei ganz offensichtlich bei allen Beteiligten nicht. Stattdessen will man sich um jeden Preis den Fraktionsstatus nebst der damit verbundenen materiellen Ausstattung sichern. Auch das ein wirklich überraschend neuer Politikansatz.